Auf einen Kaffee mit dem Robot
Nicht beim Kaffee bei seinem Lieblingsitaliener, sondern beim sonntäglichen Tatort vor dem heimischen Fernseher in Pfinztal kam Michael Stille die Idee zu einer Anwendung, die Baristi in aller Welt das Fürchten lehren könnte. Denn im Krimi „Tiere der Großstadt“ spielt ein Kaffee-Roboter, der anfänglich unter Mordverdacht gerät, eine der Hauptrollen. Beeindruckt von diesem talentierten und innovativen Roboter machte sich Stille auch dann direkt ans Werk. Sein Ziel war es eine effiziente Roboter-Lösung zu schaffen, die in Rekordzeit dem Kunden frisch zubereitete Kaffeespezialitäten servieren kann – und das Ganze stets freundlich und ohne Pause. Und einen Namen für das Projekt hatte der badische Tüftler auch schon parat: MyAppCafé sollte die neue Wundermaschine heißen. „Damit wären sämtliche Personalprobleme der Gastronomie gelöst. Denn gutes Personal zu finden, wird derzeit immer schwieriger“, so Michael Stille. Das weiß er aus eigener Erfahrung, denn er leitet seit 20 Jahren einen Gastronomiebetrieb im nahen Karlsruhe.
Soweit zur Vorgeschichte. Um ein solches Hightech-Projekt verwirklichen zu können, war für Stille schon sehr früh klar, dass er dieses nicht alleine stemmen, sondern noch weitere Experten für den Bau seines Kaffee-Roboters mit ins Boot nehmen musste. Neben seinen Geschäftspartnern war für das junge Unternehmen besonders Dirk G. Rothweiler ein wichtiger Ratgeber und eine helfende Hand. Dieser leitet hauptberuflich ein Unternehmen für Prototypenbau gleichen Namens und ist nebenberuflich als Startup-Szenenbetreuer der Stadt Karlsruhe tätig. Mit seinem Know-How bringt er für derartige Projekte die verschiedenen notwendigen Gewerke zusammen. In diesem Fall waren neben einem Kaffeemaschinenhersteller u.a. Profis für App- und Roboterprogrammierung, Anlagenbauer sowie ein Handhabungsspezialist gefragt.
Unterstützung aus der Region
Mit der Projektumsetzung des MyAppCafés, das hauptsächlich aus einer Roboterzelle besteht, in der verschiedene Geräte wie Kaffeemaschine, Drucker, Roboter etc. eingebaut sind, wurde die Firma IBS Ingenieurbüro Dr. Klaus Schnürer GmbH (IBS) aus dem benachbarten Karlsruhe beauftragt. „IBS setzt die Ideen seiner Kunden um - von der Konstruktion einzelner mechanischer Komponenten bis zur Realisierung kompletter Maschinen und Anlagen. Die IBS Ingenieure, Techniker, Zeichner und Produktdesigner greifen dabei auf langjährige Erfahrung im Konstruktionsbereich und der Projektabwicklung zurück“, erläutert Marcel Trapp, Projektleiter bei IBS. Im konkreten Fall wurden in einem ersten Schritt die Idee und die Vorarbeiten des Kunden MyAppCafé ausgearbeitet und zusammen weiterentwickelt. Im weiteren Projektverlauf wurde dann ein CAD-Modell erstellt, um alle benötigten Komponenten genau zu platzieren und deren Erreichbarkeit durch den Roboter zu prüfen.
Ein Projekt mit großen Herausforderungen
Die Anforderungen rund um das Handling für den Kaffeeroboter waren hoch. Denn die Lösung sollte ein nahezu 100-prozentiger maschineller Prozess sein. Automatisiert wurde die komplette Auftragsabwicklung von der Bestellannahme, über das Brühen des Kaffees, das Drucken eines Bildes auf den Kaffee, bis hin zur Ausgabe und dem bargeldlosem Bezahlen des Getränks. Eine hohe Prozesssicherheit war von enormer Wichtigkeit, da kein Bedienpersonal für den Kaffeeroboter vor Ort sein wird. Eine der größten Herausforderungen war es, die vier unterschiedlichen Kaffeebechergrößen mit einem einzigen Greifer und einem Greifbackenpaar zu hämehrendeln und dabei noch trotz der strengen Budgetvorgaben einen möglichst erschwinglichen (kostengünstigen) digitalen Greifer zu verwenden. Ein weiterer Knackpunkt war die Tatsache, dass die Becher in der Roboterzelle gedreht in Becherspendern gestapelt werden. Um diese zu entnehmen, musste ein Widerstand in Form eines Gummirings am Becherrand überwunden werden. Das Greifen konnte folglich nur rein über Kraftschluss gelingen. Hierzu musste ein geeigneter Greifer und passende Greiffinger bzw. -backen gefunden werden. Des Weiteren musste die Position und die Greifkraft so exakt bestimmt werden, dass die Greiffinger nicht am Becher durchrutschen, aber auch nicht zu fest greifen, da dann die Gefahr besteht, dass zwei oder mehr Becher auf einmal gegriffen werden könnten. Für diese und andere kniffligen Fragen holte sich IBS Rat bei einem ausgesprochenen Spezialisten auf dem Gebiet der Handhabungstechnik - der Zimmer Group.
Produkt made im Ländle
Der Greiferhersteller kommt aus Rheinau und somit ebenfalls aus der Region. So entwickelte sich der Kaffeeroboter zu einem echten Produkt „made im Ländle“ (Anmerkung: Ländle bezeichnet hier liebevoll verniedlichend Baden-Württemberg). Die Expertise der Zimmer Group half nun das Projekt weiter voranzutreiben. Nach einer Analyse, Beratung und abschließenden Tests fand man schließlich den idealen Greifer. Die Wahl fiel dabei auf den GEP2013IO-00-A – einen elektrischen 2-Backen-Parallelgreifer der Serie GEP2000. Er verfügt neben einem großen Hub bei kleinem Bauraum über die Möglichkeit die benötigten Greifkräfte über vier Stufen zu regeln. Mit dieser Lösung konnte der Greifer, wie oben erwähnt, z.B. nicht mehr zu fest zupacken und nicht mehr zu viele Becher auf einmal greifen. Ein weiterer großer Vorteil des E-Greifers ist, dass er sich sehr leicht wie ein Ventil über I/O Ports ansteuern lässt. Nach der Wahl des geeigneten Greifers wurden dann im Anschluss von IBS die passenden Greifbacken entwickelt. Nachdem diese in einem 3D-Druckverfahren gefertigt und in mehreren internen Test- und Validierungsschleifen umfangreich getestet worden waren, entwickelte man eine Ausgabeeinheit, schrieb eine eigene Software für die Kommunikation und Steuerung aller beteiligten Komponenten und programmierte abschließend den Roboter.
Kollege Roboter mit vielen Vorteilen
Mit diesem vollautomatisierten Barista-Roboter schuf man eine innovative Lösung, die besonders für die Gastronomie oder Eventveranstalter interessant sein kann, denn der Kaffee-Roboter kann zwischen 80 und 120 Kaffeespezialitäten pro Stunde ausgeben. Bei stets gleichbleibender Qualität ist ein 24/7-Betrieb möglich. Der Zeitaufwand für Betreiber wäre absolut überschaubar: einmal täglich – circa eine Stunde – Kaffeebohnen, Kakao, Milch, Sirup, Wasser und Becher nachfüllen und die Maschine reinigen. Auch auf die Nachhaltigkeit wurde bei den Machern viel Wert gelegt. So wird ausschließlich Fair-Trade-Biokaffee verarbeitet, der aus komplett kompostierbaren Bechern ausgeschenkt wird. Dass der Kunde seinen Lieblingskaffee per Touch-Display bestellt und bargeldlos per App bezahlt, erscheint bei der ultramodernen Anlage fast selbstverständlich. Als nettes Gimmick haben sich die MyAppCafé -Gründer auch noch was ganz Besonderes ausgedacht: Per App mit einem Bild gefüttert, zaubert ein Lebensmitteldrucker ein perfektes Fotomotiv auf den Milchschaum. Und soll der Lieblingsmensch mit einem Kaffee überrascht werden, verschickt der MyAppCafé-Kunde einfach seinen erhaltenen Code über WhatsApp.
Innerhalb eines Jahres zur Fertigstellung
Nur knapp ein Jahr hat es gedauert, bis aus der ersten Idee Realität wurde, bis Prototypen gebaut, getestet und weiterentwickelt werden konnten und nun die Serienproduktion anläuft. Dass die Umsetzung so schnell gelang, spiegelt sich auch in der Zusammenarbeit der verschiedenen Projektteams wider. So äußerte sich z.B. Herr Trapp von der Firma IBS über die Kooperation mit dem badischen Greiferhersteller: „Für mich als Projektleiter und Entwickler der Hardware war die Zusammenarbeit mit Zimmer sehr positiv. Ich hatte mit Herrn Klaus Tritt (technischer Berater und Verkäufer) schnell einen passenden Ansprechpartner, der mich bei allen Fragen und offenen Themen gut und schnell beraten konnte, sodass bei dem Greifer schnell die Wahl auf Zimmer gefallen ist, was sich bis heute als gute Entscheidung herausgestellt hat.“
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Link zum Video https://www.youtube.com/watch?v=T4m0c5oSW7w&feature=emb_logo